Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen (Alpine Klassiker), Reinhard Karl, Elmar Landes

Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen - ein Bergbuch, das schon bald nach seinem Erscheinen aufhorchen ließ: ausgehend von seinem eigenen Lebensweg und geprägt von der Aufbruchstimmung der noch jungen Freikletterszene, die er vor allem in den USA kennenlernen konnte, vermochte Reinhard Karl dem Lebensgefühl einer ganzen Generation von Bergsteigern und Kletterern Ausdruck zu verleihen. Und das in einer Sprache und in Bildern, die die alpine Literatur bis dahin nicht gekannt hat.

Ergänzt wird diese Neuausgabe durch wichtige Texte aus dem letzten Lebensjahr des Autors sowie durch eine Bebilderung, die den Reichtum der Bildsprache des Fotografen Reinhard Karl wiedergibt.

Was man da oben sucht, ich weiß es nicht. Die Wahrheit ist so kompliziert, dass sie niemand versteht. Eigentlich ist der Berg nur ein nominelles Ziel. Was zählt sind die Stunden, Minuten, Sekunden, wie man sie verbringt.

Ein Kultbuch der Alpinliteratur aus den 1980er Jahren erlebt seine dritte Auflage. Reinhard Karl starb im Mai 1982 im 36. Lebensjahr durch eine Eislawine am Achttausender Cho Oyu. Als Legende lebt er weiter; auch über dieses Buch, durch die Gedanken darin und den Stil seines Schreibens.

Anfang der 1960er Jahre. Der Mechanikerlehrling Reinhard suchte den Ausgang aus der öligen Montagegrube einer Autowerkstatt in Heidelberg – und fand ihn übers Bergsteigen. Ende der Sechzigerjahre und in den Siebzigern kletterte er eine lange Reihe der bedeutendsten Wände, Pfeiler und Grate in den West- und Ostalpen; vor allem im Massiv des Mont Blanc.
Nach dem Abitur über die Abendmittelschule studierte er in Frankfurt Geographie und Chemie. 1975 reiste R. Karl erstmals ins berühmte Yosemite Valley, Kalifornien. Er flog nach New York und trampte anschließend über den Kontinent an die Pazifikseite der USA. Das war eine Pilgerreise zum Nabel der damaligen Kletterwelt; dort ging eine Zeit lang die alpinistische Erdachse durch. Geprägt wurde jene Yosemite-Szene von einer Schar Hippie-Typen, die am Talgrund im berühmten Camp Four hausten und von dieser Basis aus das Felsklettern an den Valley-Wänden in bis dahin kaum vorstellbare Schwierigkeitsgrade gepusht hatten. Und dabei eine eigene Kletter-Philosophie mit völlig neuen Wertvorstellungen kreierten: "Don't leave footsteps", "Clean Climbing", .... ("lass beim Klettern keine Spuren zurück", ...). Klemmkeil und Friend als Hakensatz wurden erdacht und Prototypen gebastelt. Das Camp Four ist mittlerweile von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. Reinhard Karl kletterte gleich beim ersten Aufenthalt im "Valley" u.a zwei so genannte Big Walls: Half-Dome-NWWand (ca. 600m hoch) und die 1.000m hohe Nose am Capitan. 1978 wurde R. Karl zur Österr. Mount Everest Expedition eingeladen, bestieg als erster Deutscher den höchstgelegenen geographischen Punkt und verschaffte damit seiner Popularität einen mächtigen Schub. Der Aufstieg zum Profibergsteiger mit Sponsoring etc war damit eingeleitet worden. Kletterreisen nach Patagonien, Expeditionen in den Karakorum und den Himalaya folgten. Vor ein paar Jahren war in einem Alpin-Magazin zu lesen, R. Karl sei der John Lennon der Bergsteigerei. Das hat was für sich, sogar vom Aussehen her. Er war ein typisches Kind der sogenannten 68er-Generation. An den berühmten Studenten-Sitins und -Demos in Frankfurt 1968 hatte er aktiv teilgenommen. Allerdings, ohne sich von manch flachen Sprüchen beeinflussen zu lassen. Er bildete sich eigene Meinungen zu den politischen und gesellschaftspolitischen Fragen im Kontext der 68er-Bewegung. 1979 war er zum 2. Grazer Alpinismus Kongress eingeladen worden, als Referent über die Kletterszene im Yosemite Valley.
Was kann nach Reinhard Karl Bergsteigen auch sein: Zeit zum Atmen, Zeit zum Sehen, Zeit zum Staunen.